Kostenlose Urteile und Gerichtsentscheidungen

Suchergebnisse

Eine Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung, § 356 StGB setzt strenge Maßstäbe an den Nachweis des billigen Inkaufnehmens. Selbst der Maßstab der „Unvertretbarkeit" der vom Amtsträger vertretenen Rechtsauffassung wird den Anforderungen der Rechtsicherheit insoweit nicht gerecht.

Aus dem bloßen Widerspruch der vom Amtsträger vertretenen Rechtsauffassung zu Entscheidungen anderer Amtsträger bzw. Gerichte, zur Gerichtspraxis, zu höchstrichterlichen Entscheidungen, oder gar zur sog. herrschenden Meinung läßt sich für den Vorsatz nichts ableiten.
OLG Hamm, AZ: III-5 Ws 117/15, 19.05.2015
Ein Mandatsverhältnis ist nicht nichtig, wenn ein Rechtsanwalt in einem Anfechtungsverfahren zunächst nur einen Wohnungseigentümer auf Klägerseite vertritt und später das Mandat auf einen weiteren, zunächst formal beklagten Wohnungseigentümer erweiterert wird.
LG Dortmund, AZ: 11 T 56/14, 08.08.2014
Bestellt sich ein Rechtsanwalt in einem wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsverfahren für einen klagenden Eigentümer und wird er später von einem der beklagten Eigentümer ebenfalls in gleicher Sache mandatiert, um den Anfechtungsprozess zu gewinnen, so führt ein Anerkenntnis für den beklagten Eigentümer dazu, dass das Mandat wegen unzulässiger Doppelvertretung wegen § 134 BGB i.V.m. § 43 a BRAO von Anfang an als nichtig anzusehen ist.

Der beauftragte Rechtsanwalt ist ohne Beschluss von dem weiteren Verfahren auszuschließen.
AG Bottrop, AZ: 20 C 33/13, 27.05.2014
Aufgrund der Besonderheit im WEG-Verfahren, in welchem sich ein Wohnungseigentümer einer Klage auf Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung als Nebenintervenient anschließen kann, kommt es für die Frage eines Parteiverrates i.S.d. § 356 StGB auf einen materiell-rechtlichen Interessenkonflikt an.

Darüber hinaus erscheint auch ein formeller Interessekonflikt zumindest dann zweifelhaft, wenn die mitvertrenen Eigentümer in der vor dem Amtsgericht erhobenen Klage nicht in der Eigentümerliste aufgeführt sind.
LG Essen, AZ: 52 Qs-29 Js 648/13-9/14, 08.04.2014
Ein Rechtsanwalt, der in einem wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsverfahren zunächst mit einem Eigentümer Anfechtungsklage erhebt und danach sich für einen weiteren Wohnungseigentümer mit dem gleichen Anfechtungsbegehren bestellt, begeht auch dann keinen Parteiverrat, wenn sich die von ihm vertretenen Mandanten zunächst im Anfechtungsprozess als Prozessgegner gegenüberstanden.

(bestätigt durch Beschluss des LG Essen vom 08.04.2014, Az.: 52 Qs-29 Js 648/13-9/14)
AG Bottrop, AZ: 27 Ds-29 Js 648/13-584/13, 06.01.2014
Die Aufgabe einer in der Rechtsprechung bislang vertretenen Auslegung verstößt nicht als solche gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ist die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält.

Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden.

Die Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG auf "Rechtsprechungsänderungen" setzt jedenfalls voraus, dass die frühere Rechtsprechung durch ein Mindestmaß an Kontinuität einen Vertrauenstatbestand begründen konnte.
BVerfG Karlsruhe, AZ: 2 BvR 1230/10, 16.05.2011
Macht ein Sozialversicherungsträger gegen mehrere Unterhaltsverpflichtete Ansprüche geltend, kann eine Vertretung mehrerer Unterhaltsverpflichteter durch denselben Rechtsanwalt den Tatbestand des Parteiverrats erfüllen. Denn ein Ausfall oder aber eine verminderte Leistungsfähigkeit eines Schuldners führt nach der gesetzlichen Regelung des § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB zwingend zu einer Erhöhung des Haftungsanteils der verbleibenden Schuldner, die durch deren eigene Leistungsfähigkeit begrenzt wird.
OLG München, AZ: 5 St RR (II) 246/10, 21.09.2010
Verurteilung wegen Parteiverrats nach § 356 Abs. 2 StGB verstößt schon deshalb nicht gegen das durch Art. 103 Abs. 2 GG geforderte Verbot einer rückwirkenden Verschärfung der Strafbarkeit, weil dieses bei einer Änderung der Rechtsprechung bei gleichbleibendem Gesetzeswortlaut nicht eingreift (vgl. BVerfGE 18, 224, 240 f.; 32, 311, 319).
BGH Karlsruhe, AZ: 5 StR 491/09, 08.04.2010
Beschuldigte in einer Strafsache, gegen die jeweils der Verdacht besteht, gemeinsam mit dem anderen Beschuldigten als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe Teilnehmer derselben Straftat gewesen zu sein, können Parteien im Sinne des § 356 StGB sein.

Die Fallgestaltungen, in denen der eine Mitbeschuldigte seinen Tatbeitrag an derselben Strafsache zu Lasten des anderen geringer als dessen Beitrag erscheinen lassen will, sind vielfältig. In Betracht kommen gegenseitige Beschuldigungen ebenso wie die Minderungen des eigenen Tatanteils auf Kosten des anderen.

Ist ein konkreter Interessenskonflikt deutlich erkennbar und feststellbar, kommt eine Verurteilung wegen Parteiverrats in Betracht, sofern kein Verbotsirrtum vorliegt.
BGH Karlsruhe, AZ: 5 StR 109/07, 25.06.2008
Die Interessen eines angeklagten Täters werden zwar in aller Regel denjenigen seines Opfers unversöhnlich gegenüberstehen, eine Vertretung beider durch einen Rechtsanwalt schließt dies jedoch nicht von vornherein aus.
KG Berlin, AZ: (3) 1 Ss 409/05 (139/05), 10.05.2006
Das Gericht ist allerdings nicht allein deshalb gehalten, die Bestellung von Sozietätsmitgliedern zu Pflichtverteidigern zu unterlassen, weil § 3 Abs. 1, 2 BORA die gleichzeitige Verteidigung von derselben Tat mitbeschuldigten Mitangeklagten durch Sozietätsmitglieder als Interessenkonflikt wertet. Die Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten ist zunächst allein dem Anwalt und damit auch dem Pflichtverteidiger überantwortet, der als selbständiges Organ der Rechtspflege an dem Ablauf des Strafverfahrens mitwirkt (vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1999, S. 1415).
OLG Hamm, AZ: 2 Ws 156/04, 01.06.2004
Ein Rechtsanwalt, der zunächst beide Eheleute aufgrund deren gemeinsamen Auftrags ausschließlich über die Voraussetzungen und die Herbeiführung der von beiden Eheleuten übereinstimmend gewollten einverständlichen Scheidung ihrer Ehe sowie den Unterhaltsanspruch beraten und den Unterhaltsanspruch berechnet hat, handelt nicht pflichtwidrig i.S.d. § 356 Abs. 1 StGB, wenn er später einen der Ehepartner vertritt und den Unterhaltsanspruch geltend macht.
OLG Karlsruhe, AZ: 3 Ss 143/01, 19.09.2002
§ 146 StPO steht einer Verteidigung durch verschiedene, gesondert mandatierte Rechtsanwälte aus einer Anwaltssozietät nicht entgegen (BVerfGE 43, 79, 90 ff).

Der Zweck der Bestimmung verbietet es nicht, dass sich die Verteidiger mehrerer derselben Tat Beschuldigter untereinander besprechen und ihr Vorgehen miteinander abstimmen. Zur Entwicklung einer solchen - in den Grenzen der §§ 258 und 356 StGB zulässigen - gemeinsamen Verteidigungsstrategie kann der eine Verteidiger auch an Gesprächen teilnehmen, die der andere Verteidiger mit seinem Mandanten führt.
OLG Düsseldorf, AZ: 1 Ws 318/02, 20.08.2002
Ein Rechtsanwalt, der in einer Verkehrssache einen Mandanten in einem Strafverfahren vertritt und den anderen Mandanten in derselben Sache in der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegen ersteren, kann einem Verbotsirrtum unterliegen, wenn er nicht erkannt hat, dass er gegensätzliche Interessen vertritt.

Bei dem Begriff "Gegensatz der Interessen" im Sinne des § 356 StGB, § 31 Nr. 2 BayerRAO (§ 45 Nr. 2 BundesRAO) handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal, das vom Vorsatz des Täters mit umfaßt werden muß. Der Täter muß sich hiernach bewußt sein, daß er einem Auftraggeber dient, obwohl er schon für einen früheren Auftraggeber in derselben Rechtssache im entgegengesetzten Interesse tätig war.
BGH Karlsruhe, AZ: 1 StR 584/60, 24.01.1961
Selbst wenn eine Ehefrau im Strafverfahren gegen ihren Ehemann aus Familienrücksichten mit ihrem Mann völlig einig darin sein mag, daß er wegen der zugegebenen gleichgeschlechtlichen Verfehlungen zu einer möglichst milden Strafe verurteilt werde, kann im Scheidungsstreit und in der Familienrechtssache aus demselben Sachverhalt rechtliche Folgerungen gezogen werden, die ihr Mann nicht wünschte und mit denen er sich überdies im Ehescheidungsprozeß nicht wirksam einverstanden erklären konnte.
BGH Karlsruhe, AZ: 4 StR 402/55, 24.11.1955