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Inhaber eines eBay-Kontos haftet grds. nicht für über dieses Konto abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen Dritter; §§ 164, 177 Abs. 1, 307 BGB
BGH Karlsruhe, AZ: VIII ZR 289/09, 11.05.2011
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Werden unter Nutzung eines fremden eBay-Mitgliedskontos auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben, liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor, auf das die Regeln über die Stellvertretung sowie die Grundsätze der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht entsprechend anzuwenden sind (im Anschluss an BGH, Urteile vom 3. März 1966 - II ZR 18/64, BGHZ 45, 193; vom 18. Januar 1988 - II ZR 304/86, NJW-RR 1988, 814; vom 8. Dezember 2005 - III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701).

Ohne Vollmacht oder nachträgliche Genehmigung des Inhabers eines eBay-Mitgliedskontos unter fremdem Namen abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen sind dem Kontoinhaber nur unter den Voraussetzungen der Duldungs- oder der Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits aus, dass der Kontoinhaber die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff des Handelnden geschützt hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 11. März 2009 - I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 - Halzband).

Eine von eBay gestellte und von jedem registrierten Nutzer akzeptierte Formularklausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden, begründet keine Haftung des Kontoinhabers gegenüber Auktionsteilnehmern.

Zwar hat der Bundesgerichtshof im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts eine unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines eBay-Mitgliedskontos als eigenständigen Zurechnungsgrund für von einem Ehegatten unter Verwendung dieses Kontos begangene Urheberrechts- und/oder Markenrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße genügen lassen (BGH, Urteile vom 11. März 2009 - I ZR 114/06, aaO Rn. 16 ff. - Halzband; vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08).

Diese für den Bereich der deliktischen Haftung entwickelten Grundsätze lassen sich jedoch nicht auf die Zurechnung einer unter unbefugter Nutzung eines Mitgliedskontos von einem Dritten abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung übertragen. Denn während im Deliktsrecht der Schutz absoluter Rechte Vorrang vor den Interessen des Schädigers genießt, ist bei der Abgabe von auf den Abschluss eines Vertrages gerichteten Erklärungen eine Einstandspflicht desjenigen, der eine unberechtigte Nutzung seines passwortgeschützten Mitgliedskontos ermöglicht hat, nur dann gerechtfertigt, wenn die berechtigten Interessen des Geschäftspartners schutzwürdiger sind als seine eigenen Belange.
Der auf den ersten Blick nicht ganz verständliche Widerspruch zur Entscheidung des 1. Senats des BGH (Az.: I ZR 114/06) rechtfertigt siach allein aus dem Umstand, dass Unterlassungsansprüche wegen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht/Urheberrecht/Markenrecht verschuldensunabhängig sind, während das rechtsgeschäftliche Handeln eine eigene Zurechung (zumindest Anscheinsvollmacht) erfordert.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von Rechtsanwalt Frank Dohrmann, Bottrop
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