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Rechtsanwalt kann beim Parteiverrat einem Verbotsirrtum unterliegen, wenn er die Gegensätzlichkeit der Interessen nicht erkennt; §§ 17, 356 StGB
BGH Karlsruhe, AZ: 1 StR 584/60, 24.01.1961
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Ein Rechtsanwalt, der in einer Verkehrssache einen Mandanten in einem Strafverfahren vertritt und den anderen Mandanten in derselben Sache in der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegen ersteren, kann einem Verbotsirrtum unterliegen, wenn er nicht erkannt hat, dass er gegensätzliche Interessen vertritt.

In Unfallstrafsachen einerseits und bei den aus demselben Unfall hergeleiteten zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen andererseits entscheiden sich Frage und Umfang der Schuld oder Haftung des Schädigers im wesentlichen nach denselben Rechtsgrundsätzen (vgl. u.a. §§ 220, 230 StGB; §§ 823, 847 BGB; §§ 7 ff StVG). Regelmäßig geht das rechtliche Interesse der geschädigten Person dahin, einen möglichst hohen Schadensersatz zu erlangen und - bei Erhebung einer Nebenklage - im Strafverfahren gegen den Schädiger wenigstens dessen strafrechtliche Schuld festgestellt zu wissen.

Im Gegensatz hierzu liegt dem Schädiger in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren und bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen seitens des Geschädigten daran, überhaupt nicht oder wenigstens in möglichst geringem Umfange bestraft zu werden und Schadensersatz leisten zu müssen. Die strafrechtlichen und die zivilrechtlichen Interessen der einen Partei sind notwendigerweise so eng miteinander verbunden, daß sie im Verhältnis zu den widerstreitenden Interessen der Gegenpartei als ein einheitliches Ganzes erscheinen.

Schon hieraus folgt, daß der Rechtsanwalt, den der einer strafbaren Herbeiführung des Unfalls Beschuldigte mit seiner Verteidigung im Strafverfahren betraut hat, nicht dem Geschädigten bei der zivilrechtlichen Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den ersten Auftraggeber seine Dienste leihen darf. Entschließt er sich doch hierzu, so verwirklicht er damit den (äußeren) Tatbestand des § 356 StGB.

Bei dem Begriff "Gegensatz der Interessen" im Sinne des § 356 StGB, § 31 Nr. 2 BayerRAO (§ 45 Nr. 2 BundesRAO) handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal, das vom Vorsatz des Täters mit umfaßt werden muß. Der Täter muß sich hiernach bewußt sein, daß er einem Auftraggeber dient, obwohl er schon für einen früheren Auftraggeber in derselben Rechtssache im entgegengesetzten Interesse tätig war.

Ein Verbotsirrtum liegt auch dann vor, wenn der Täter zwar den Interessengegensatz erkennt, jedoch aus irgendwelchem Grunde (z.B. Einverständnis des früheren Auftraggebers mit der Übernahme der Vertretung der Gegenpartei, Annahme einer höherwertigen Rechts- oder Standespflicht u.a.) glaubt, nicht rechtswidrig zu handeln.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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