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Auch ein sehr hohes Brautgeldversprechen nach iranischem Recht muss nicht sittenwidrig sein; §§ 138, 242 BGB
OLG Hamm, AZ: 8 UF 37/12, 04.07.2012
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Bei dem Rechtsinstitut der Morgengabe handelt es sich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.12.2009 (FamRZ 2010, 533 ff.) um eine ehevertragliche Zusage des Ehemannes, die diesen verpflichtet, der Ehefrau den in der Zusage genannten Geldbetrag zu zahlen.

Nach islamischen religiösen Vorstellungen und dem iranischen Recht stellt die Unberührtheit der Frau vor der Ehe ein hohes Gut dar, das durch die Morgengabe -auch- gewürdigt werden soll, weshalb diese auch nur nach "vollzogener Ehe" verlangt werden kann.

Die rechtliche Qualifikation der Morgengabe als eine ehevertragliche Vereinbarung wird den im iranischen Zivilgesetzbuch enthaltenen besonderen Regelungen des 7. Kapitels über das sog. "Mahr" am ehesten gerecht, da sie eine am Einzelfall orientierte und die religiösen Vorstellungen mit einbeziehende Auslegung ermöglicht, ohne das fremde Rechtsinstitut in deutsche Rechtsinstitute zu zwängen, die anderen Zielen dienen, nämlich der gleichmäßigen Teilhabe beider Eheleute am Einkommen und am während der Ehe erworbenen Vermögen.

Der Senat vermag keine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB in Form einer krassen Überforderung des Schuldners festzustellen. Es erscheint schon fraglich, ob der Antragsgegner durch die Verpflichtung zur Zahlung einer Morgengabe im Wert von über 200.000,00 € im Zeitpunkt der Abgabe des Morgengabenversprechens als krass überfordert angesehen werden muss.

Ist schon zum Zeitpunkt der Eheschließung beabsichtigt, in Deutschland zu leben, erschien es aus damaliger Sicht nicht ausgeschlossen, dass es der Antragsgegner, der immerhin über eine auch in Deutschland anzuerkennende abgeschlossene Berufsausbildung als Maler und Lackierer verfügte, einmal zu Wohlstand bringen würde. Auch mag ein von Seiten der Eltern des Antragsgegners zu erwartendes Erbe in die Überlegungen zur Höhe der Morgengabe mit eingeflossen sein.

Wenngleich diese Funktion der Morgengabe heutigen Ethikvorstellungen des westlichen Kulturkreises widerspricht, ist sie jedoch als iranische Wertvorstellung zu respektieren. Desweiteren soll die Morgengabe, wie bereits ausgeführt, die Ehefrau vor leichtfertiger Verstoßung durch den Mann schützen und sie im Falle einer Scheidung absichern, da sie nach iranischem Recht weder Unterhalts- noch Zugewinnansprüche hätte. Beide Zielrichtungen der Morgengabe führen, wie in der deutschen Rechtspraxis bekannt ist, sehr häufig zu extrem hohen, das Leistungsvermögen der Ehemänner übersteigenden Morgengabenversprechen, die gleichwohl im Iran als üblich anzusehen sind und von iranischen Gerichten ohne weiteres tituliert und vollstreckt werden, wie auch der vorliegende Fall zeigt.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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