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Kein Schlichtungsverfahren bei nachbarrechtlichen Ansprüchen unter Wohnungseigentümern; §§ 46 WEG, 15a EGZPO, 1 HessSchlichtG
LG Frankfurt am Main, AZ: 2-13 S 102/17, 15.03.2018
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Eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des Nachbarrechts führt nicht dazu, dass in entsprechender Anwendung des § 15a EGZPO iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1 e HSchlichtG ein obligatorisches Schlichtungsverfahren dem Klageverfahren vorauszugehen hat.

Die doppelte Analogie, einmal des Nachbarrechtes und zum anderen des § 15a EGZPO selbst, stellt eine nicht zu rechtfertigende Begrenzung des Zugangs zu den staatlichen Gerichten dar. Eine vergleichbare Interessenslage mit Blick auf die mit dem Schlichtungsverfahren bezweckte konsensuale Streitbeilegung ist für derartige Verfahren zudem nicht gegeben.

Es obliegt nicht den Gerichten, durch mehrfache Analogien den Justizgewährungsanspruch des einzelnen, folgend aus Art. 20 Abs. 3 GG, zu beschränken.

Insoweit sind die Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechtes zu beachten, die eine entsprechende Anwendung des § 15a EGZPO iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1 e HSchlichtG nicht als notwendig und eine vollumfänglich vergleichbare Interessenlage mit Grundstücksnachbarn als nicht gegeben erscheinen lassen.

Auch die Rechtspositionen anderer Sondereigentümer können von einem solchen Rechtsstreitberührt werden, denn auch der Bereich der Sondernutzungsrechte liegt weiter im gemeinschaftlichen Eigentum. Daher kann auch der mit dem Schlichtungsverfahren verfolgte Zweck, namentlich mit den Nachbarn eine gemeinsame Lösung nachbarlicher Konflikte zu erreichen, nicht oder zumindest nicht nur unter den Sondernutzungsberechtigten eingreifen.

Vielmehr dürfte im Regelfall zumindest auch die Reichweite der Nutzungsbefugnis von Gemeinschaftseigentum, etwa in Verbindung mit einem Sondernutzungsrecht, streitgegenständlich sein. Insofern können die Sondereigentümer jedoch nicht vollumfänglich über die betroffenen Rechtspositionen oder andere nicht betroffene Rechtspositionen, die aber im Sinne einer umfassenden Befriedung der Sondereigentümer relevant sein können, verfügen. Demzufolge sieht für das gerichtliche Verfahren § 48 WEG eine Beiladung betroffener Wohnungseigentümer und eine Rechtskrafterstreckung vor. An einer entsprechenden – verpflichtenden – Regelung zur Beteiligung Dritter fehlt es im HessSchlG, so dass hier schon strukturell keine Einigungen getroffen werden können, welche die übrigen Wohnungseigentümer binden.
Damit hat sich das LG Frankfurt gegen die Rechtsauffassung des LG Dortmund gestellt. Insbesondere das Argument der notwendigen Beteiligung aller Wohnungseigentümer bereits im Schlichtungsverfahren spricht gegen eine Ausdehnung des Schlichtungsverfahren auf Streitigkeiten unter Wohnungseigentümern.

Wegen der fehlenden Möglichkeit einer Drittbeteiligung der übrigen Wohnungseigentümer würde das Schlichtungsverfahren zu einem reinen Formalismus degradiert, da die am Schlichtungsverfahren beteiligten Eigentümer ohne die Beteiligung der übrigen Eigentümer keine rechtsverbindlichen und streitbeilegenden Einigungen erzielen könnten.

Es bleibt abzuwarten, wie der BGH sich in dieser Frage entscheiden wird.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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