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§ 62 ZPO (notwendige Streitgenossenschaft) findet bei den Fristen des § 46 I 2 WEG keine Anwendung
BGH Karlsruhe, AZ: V ZR 196/08, 27.03.2009
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Die durch die erfolgte Verbindung mehrerer Anfechtungsklagen entstandene notwendige Streitgenossenschaft führt nach § 62 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO nur dazu, dass die Frist für die Vornahme einer Prozesshandlung durch einen von mehreren klagenden Wohnungseigentümern gewahrt werden kann. Zu diesen prozessualen Fristen gehört die Begründungsfrist (ebenso wie die Klagefrist) nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht. Diese Frist ist, wie ausgeführt, eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (Senat, Urt. v. 16. Januar 2009, V ZR 74/08, NJW 2009, 999 f.). Sie kann nur gewahrt werden, wenn der Wohnungseigentümer, der einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung anfechten will, die Anfechtungsklage selbst rechtzeitig erhebt. Hat er die Frist versäumt, kann er der rechtzeitigen Klage anderer Wohnungseigentümer zwar als (streitgenössischer) Nebenintervenient gemäß § 69 ZPO beitreten. Das kommt seiner eigenen verspäteten Klage aber nicht zugute; sie wäre abzuweisen.

Gegenstand des Urteils wären nur noch die in den Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG von den verbleibenden Klägern geltend gemachten Anfechtungsgründe. Anfechtungsgründe, die nur der Kläger, der seine Klage zurücknimmt, rechtzeitig geltend gemacht hat, sind in dem weiteren Verfahren nicht mehr zu prüfen. Die verbleibenden Kläger können sich diese Gründe nicht zu Eigen machen. Das liefe nämlich auf ein Nachschieben von Anfechtungsgründen hinaus, das § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gerade verhindern will. Haben die verbleibenden Kläger in den Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG Anfechtungsgründe nicht vorgetragen, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der BGH führt aus, dass ein anfechtender Wohnungseigentümer als Nebenintervenient einem anderen Wohnungseigentümer beitreten kann, wenn er die Begründungsfrist gem. § 46 I S. 2, 2. Halbsatz WEG versäumt hat und deutet an, dass die Nebenintervention auch bei versäumter Klagefrist möglich sei. Dabei soll § 62 I ZPO im Rahmen der materiellen Begründungsfrist des § 46 I S. 2, 2. Halbsatz WEG keine Anwendung finden, wenn der klagende Wohnungseigentümer seine Begründungsfrist versäumt hat, mit der Folge dass seine Klage abgewiesen wird, auch wenn ein anderer klagender Eigentümer bei fristgerechter Begründung der Klage obsiegt. Dagegen soll ein beklagter Eigentümer, der die Anfechtungsfrist versäumt hat, im Wege der Nebenintervention dem klagenden Wohnungseigentümer beitreten können, ohne dass die Versäumnis der Klagefrist sich auf § 62 ZPO auswirkt. Der Eigentümer, der die Begründung versäumt, soll nach Auffassung des BGH ebenfalls die Möglichkeit besitzen, dem anderen klagenden Wohnungseigentümer als Nebenintervenient beizutreten, mit der Folge, dass seine Klage zwar abgewiesen wird, er als Nebenintervenient letztlich aber doch obsiegt.

Warum der BGH an der versäumten Begründungsfrist in bezug auf § 62 I ZPO andere Maßstäbe anlegt, als an der versäumten Klagefrist, ist nicht so ganz nachvollziehbar.

Das LG München (Az.: 1 S 809/11) hat in einer weiteren Entscheidung die Nebenintervention nunmehr auch für die versäumte Anfechtungsfrist gem. § 46 I S. 2, 1. Halbsatz WEG ausgeweitet.

Es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung der Rechtsprechung bzgl. der für WEG-Verfahren nicht besonders gut geeigneten ZPO weitergeht, insbesondere, wenn der BGH den Streit entscheiden muss, bei welchem alle Beklagten Wohnungseigentümer dem klagenden Wohnungseigentümer als Nebenintervenient beitreten. Wer wird dann als Beklagter im Rubrum aufgeführt? Ergeht ein Säumnisurteil? Wer trägt die Kosten?
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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