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Wohnungseigentümer kann Gebäudeversicherung unmittelbar verklagen / Versicherung muss Verschulden der verzögerten Instandsetzung beweisen, §§ 9 Ziff. 2 b) Abschnitt A der VGB 2010; 28, 32, 82 VVG
LG Potsdam, AZ: 2 O 291/19, 02.02.2022
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Die Aktivlegitimation eines Wohnungseigentümers wegen Forderungen aus dem Gebäudeversicherungsvertrag gegenüber der Gebäudeversicherung mit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist gegeben, wenn die WEG-Verwalterin den Eigentümer ermächtigt hat, die Ansprüche aus einem Versicherungsfall (hier: Brandschaden) geltend zu machen.

Die Klausel in § 9 Ziff. 2. b) in Abschnitt A der VGB 2010 ist unwirksam gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, so dass insoweit die gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind. Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen, da sie zum einen mit den wesentlichen Grundgedanken der §§ 28, 32 VVG sowie § 82 VVG nicht zu vereinbaren ist und zum anderen auch intransparent und widersprüchlich ist. Nach § 9 Ziff. 2. b) ist der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer eine mögliche Wiederbenutzung bereits einfach fahrlässig verzögert. Denn dort heißt es, dass der Mietausfall nur insoweit ersetzt werde, wie die mögliche Wiederbenutzung nicht schuldhaft verzögert werde.

Dies widerspricht dem Rechtsgedanken des §§ 28 Abs. 1 VVG, nachdem eine fristlose Kündigung des Versicherungsvertrages im Falle der Obliegenheitsverletzung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zulässig ist. Nach Abs. 2 des § 28 VVG ist Leistungsfreiheit des Versicherers nur dann möglich, wenn eine vertragliche Obliegenheit vorsätzlich verletzt worden ist. Im Falle der groben Fahrlässigkeit ist eine verhältnismäßige Leistungskürzung vorgesehen.

Der Begriff "schuldhaft" in der Regelung des § 9 Ziff. 2. b) umfasst aber gemäß § 276 BGB bereits die einfache Fahrlässigkeit. Sie sieht weiter die Leistungsfreiheit des Versicherers vor, ohne dass dort als mildere Sanktion eine verhältnismäßige Leistungskürzung möglich ist. Gemäß § 32 VVG kann zum Nachteil des Versicherungsnehmers nicht von den Regelungen des § 28 VVG abgewichen werden.

Weiter verstößt § 9 Ziff. 2. b) des Teils A VGB 2010 gegen den Rechtsgedanken des § 82 VVG. Die Versicherungsbedingung sieht hier eine Beweislastumkehr zulasten des Versicherungsnehmers vor. Denn bei Zugrundelegung der versicherungsnehmerfeindlichsten Auslegung, hat der Versicherungsnehmer zu beweisen, dass er eine mögliche Wiederbenutzung nicht schuldhaft verzögert hat, denn nach dieser Klausel soll bei Fehlen des Verschuldens geleistet werden. Da der Versicherungsnehmer grundsätzlich die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers zu beweisen hat, hätte er hier auch sein "Nichtverschulden" zu beweisen.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop Gebäudeversicherung Wasserschaden Direktanspruch Wohnungseigentümer unmittelbar