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Ablehnung eines Eilantrages auf Aussetzung des Vollzuges von Ausgangsbeschränkungen auf Grund der Bayerischen Corona-Verordnung
VGH München, AZ: 20 NE 20.632, 30.03.2020
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Eine vorläufige Außervollzugsetzung der mit dem Normenkontrollantrag der Antragsteller angegriffenen Bestimmungen der Corona-Verordnung kommt nicht in Betracht.

Der parlamentarische Gesetzgeber hat jedenfalls mit der Neufassung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zum 28. März 2020 durch Einfügung des zweiten Halbsatzes "sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten" die Ermächtigungsgrenzen insoweit hinreichend bestimmt gefasst, dass allgemeine Ausgangs- und Betretungsverbote - die in besonders erheblichem Maß in die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 GG und Art. 11 Abs. 1 GG eingreifen - von der Befugnis umfasst sein können.

Bei der Aussage des § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaV "Jeder wird angehalten, die physischen und sozialen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren." handelt es sich lediglich um einen programmatischen Appell im Sinne einer Präambel, die dem regelnden Teil der Verordnung vorangestellt ist.

Im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 2 CoronaV "Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten." ist aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang mit Satz 1 der Norm zu folgern, dass der angeregte Mindestabstand zwischen zwei Personen lediglich einer - wenn auch nachdrücklichen und dringlichen - Empfehlung entspricht.

Im Rahmen des Eilverfahrens ist nicht feststellbar, dass andere zur Erreichung des Ziels der Verhinderung weiterer Infektionen mit COVID-19 möglicherweise ebenfalls geeignete Regelungsmodelle - wie insbesondere der bundesweit empfohlene Ansatz, den Aufenthalt im öffentlichen Raum nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands zu gestatten sind.

Bei einer Abwägung zeitlich befristeter (und vom Verordnungsgeber fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit zu evaluierender) Eingriffe in die Grundrechte der Normadressaten auf persönliche Freiheit und Freizügigkeit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 11 GG) mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch.
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