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Hat das erstinstanzliche Gericht in einer nicht zulässigen Form (Beschluss statt Urteil) entschieden, so ist Beschwerde zwar statthaft, ist die Beschwerde von Amts wegen zu verweisen; §§ 17a GVG; 62 WEG, 46 WEG a.F.
OLG Hamm, AZ: I-15 Wx 22/09, 05.05.2009
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1. Entscheidet ein Gericht in einer gesetzlich nicht zulässigen Form (Beschluss statt Urteil), so gilt für die unterlegende Partei das Prinzip der Meistbegünstigung, d.h. es ist sowohl das Rechtsmittel zulässig, welches materielle das Richtige wäre, als auch dasjenige Rechtsmittel, welches formal zutreffend ist.

2. Entsprechendes Gilt, wenn sich aus der gerichtlichen Entscheidung nicht eindeutig ergibt, ob das Gericht durch Urteil oder Beschluss entscheiden wollte.

3. Die Zuständigkeit des Rechtsmittelzuges ist nach dem Prinzip der formellen Anknüpfung zu bestimmen. Insoweit handelt es sich um einen allgemein gültigen Grundsatz des Rechtsmittelrechts (vgl. BT-Drs. 10/2888 S.14, 20f), der besagt, dass die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts nicht an die Art der entschiedenen Sache anknüpft, sondern daran, welches Gericht bzw. welcher "Spruchkörper" entschieden hat.

4. Sind in der amtsgerichtlichen Entscheidung in formeller und in inhaltlicher Hinsicht Elemente beider Verfahrensordnungen in einer Weise vermengt, dass sich eine eindeutige Zuordnung aus der Entscheidung heraus objektiv nicht vornehmen lässt, ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung eine nach § 45 Abs. 1 WEG a.F. erhobene sofortige Beschwerde zulässig.

5. Der Meistbegünstigungsgrundsatz besagt, dass in den Fällen, in denen aufgrund eines widersprüchlichen Verfahrens des Gerichts auch der Grundsatz der formellen Anknüpfung keine eindeutige Bestimmung der Rechtsmittelzuständigkeit ermöglicht, der durch die Entscheidung Betroffene wahlweise jedes der Rechtsmittel einlegen kann, die nach dem widersprüchlichen Inhalt der Entscheidung ernstlich in Betracht kommen (BGH DtZ 1992, 50f; NJW-RR 1995, 379f; 1997, 55f).

6. Weiter kann die Entscheidung gerade aufgrund ihres widersprüchlichen Inhalts und ihrer widersprüchlichen Form auch keine Bindungswirkung entsprechend § 17a Abs.5 GVG auslösen. Eine solche besteht zwar schon dann, wenn das vorinstanzliche Gericht seine Rechtsweg- bzw. Verfahrenszuständigkeit auch nur inzident bejaht hat. Gerade dies setzt aber voraus, dass sich schon aus dem Umstand einer Sachentscheidung als solchem entnehmen lässt, welche Zuständigkeit angenommen wurde.

7. Vor diesem rechtlichen Hintergrund hält der Senat zwar § 281 ZPO nicht für anwendbar, jedoch kann insoweit auf 17a Abs.2 GVG zurückgegriffen werden. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift stellt sich die Frage, ob die Verweisung eines Antrags bedarf, nicht. Denn nach § 17a Abs.2 GVG erfolgt die Verweisung nach Gewährung des rechtlichen Gehörs an das gem. § 72 Abs.2 S.1 GVG zuständige Berufungsgericht von Amts wegen.

8. Ein Wohnungseigentumsverfahren ist auch bei einem vorher durchgeführten Mahnverfahren erst dann anhängig gem. § 62 Abs.1 S.1 WEG, wenn die Sache bei dem zuständigen Streitgericht eingegangen ist.

9. Ist aus der Entscheidung des Amtsgerichts in einer Wohngeldsache, die vor dem 01.07.2007 beim Mahngericht, aber erst nach diesem Datum bei dem Streitgericht eingegangen ist, nicht ersichtlich, ob das Verfahrensrecht des FGG oder das der ZPO angewandt wurde, so ist in Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes sowohl die sofortige Beschwerde gemäß § 45 Abs.1 WEG a.F., als auch die Berufung (§ 511 ZPO) zulässig.
Das OLG Hamm hat zutreffend ausgeführt, dass einem Rechtssuchenden kein Nachteil dadurch erwachsen darf, wenn das erstinstanzliche Gericht in einer fehlerhaften oder mehrdeutigen Form entschieden hat, so dass in diesen Fällen sämtliche in Betracht kommenden Rechtsmitel zulässig sind. Dies hindert das Beschwerdegericht aber nicht daran, den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen.

Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass die Verweisung erst in der zweiten Instanz erfolgte, da vorliegend die Besonderheit bestand, dass das erstinstanzliche Gericht für beide Verfahrensarten zuständig war.

Die Entscheidung entspricht insoweit der h.M.

Die weitere Feststellung des OLG Hamm, dass die Zuständigkeit in WEG-Vefahren aufgrund der Gesetzesreform zum 01.07.2007 vom Eingang der Klage beim Prozessgericht und nicht vom Eingang des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides beim Mahngericht abhängt, war umstritten. Dieser Streit spielte nur in der Übergangszeit zum neuen WEG-Recht eine Rolle und ist heute Rechtsgeschichte.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von Rechtsanwalt Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Beschwerde Berufung rechtsmittel Zuständigkeit zulässiges Zulässigkeit falsches Rechtsmittel verweisung