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Bauliche Veränderung erfordert keinen Substanzeingriff - optische Beeinträchtigung genügt; §§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG a.F.; 20 Abs. 1 WEG; 1004 BGB
BGH Karlsruhe, AZ: V ZR 29/24, 18.07.2025
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§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG a.F.; 20 Abs. 1 WEG; 1004 BGB
Wird ein Wohnungseigentümer gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Beseitigung einer baulichen Veränderung in Anspruch genommen, findet das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung Anwendung, wenn die bauliche Veränderung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war.

Beurteilt sich die bauliche Veränderung nach dem bis zum 30.11.2020 geltenden Recht, kann der Störer dem Beseitigungsverlangen nach § 242 BGB einen nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 WEG a.F. gegebenen Gestattungsanspruch entgegenhalten.

Eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums setzt nicht zwingend einen Substanzeingriff voraus, sondern kann auch bei einer sonstigen auf Dauer angelegten Maßnahme, die das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändert, gegeben sein (hier: Solaranlage).

Eine Solaranlage stellt eine bauliche Veränderung i.S.d. § 20 Abs. 1 WEG dar, die gemäß § 20 Abs. 1 WEG nF grundsätzlich durch Beschluss gestattet werden (sog. Beschlusszwang). Fehlt ein erforderlicher Gestattungsbeschluss, darf die bauliche Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht vorgenommen werden und stellt eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB dar.

Ein nach § 20 Abs. 3 WEG bestehender Anspruch auf Gestattung kann nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegengehalten werden. Vielmehr muss der bauwillige Wohnungseigentümer während des erstinstanzlichen Beseitigungsverfahrens eine auf Beschlussersetzung gerichtete Widerklage erheben (vgl. Senat, V ZR 1/24).

Ein Wohnungseigentümer, der sich gegen ein dem bisherigen Recht unterfallendes Beseitigungsverlangen mit einem gegenläufigen Gestattungsanspruch im Wege der dolo-agitEinrede wehrt, die ihm aber nur nach dem bisherigen Recht zusteht, kann sich zur Begründung der dolo-agit-Einrede nicht auf (nur) nach neuem Recht eingeräumte Privilegierungen berufen.

Dies gilt schon deshalb, weil zunächst zwingend gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG nF über die Durchführung privilegierter Maßnahmen im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen ist; die mit § 20 Abs. 2 WEG neu geschaffenen Gestattungsansprüche sind untrennbar mit dem Beschlusszwang verknüpft.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop bauliche Veränderung genehmigung Bechlussersetzungsklage Gestattung optische Beeinträchtigung GdWE