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Presse haftet für offensichtliche Wettbwerbsverstöße in entgegengenommenen Anzeigen auch ohne Kenntnis; §§ 3, 8 UWG
OLG Köln, AZ: 6 U 43/10, 27.08.2010
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Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzten, ist wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen (BGH GRUR 07, 890).

Das Veröffentlichen von ungeprüften Anzeigen in einer Zeitungsbeilage eröffnet den Inserenten die Möglichkeit, Anzeigen jedweden Inhalts zu schalten, und birgt so die Gefahr der Irreführung der Leser und damit einer Verletzung von Vorschriften zum Schutz der Verbraucher, zu denen auch § 11 Abs. 1 LFGB gehört.

Die aus diesem Grunde bestehende wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht konkretisiert sich auf der Grundlage der erwähnten neuen Rechtsprechung des BGH in einer Prüfungspflicht. Diese Prüfungspflicht setzt aber - anders als der BGH (a.a.O. Rz 38, 41 f) es für Angebote auf der Internetplattform e-bay angenommen hat - nicht erst mit Kenntnis der Beklagten von dem irreführenden Inhalt einer bestimmten Anzeige ein. Sie besteht vielmehr auch ohne konkreten Anlass für jede entgegengenommene Anzeige.

Nach der Rechtsprechung des BGH zu den wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten ist nicht etwa generell die Kenntnis erforderlich, dass sich die Gefahr einer Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften bereits realisiert habe. Vielmehr richten sich das Bestehen und der Umfang der Prüfungspflichten im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Dabei dürfen im Hinblick darauf, dass es sich - dies gilt auch für die Entgegennahme von Anzeigenaufträgen - um eine erlaubte geschäftliche Tätigkeit handelt, allerdings keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH a.a.O. Rz 38).

Der beschriebenen Gefahr der Irreführung der Verbraucher in dem sensiblen Bereich der Gesundheitsvorsorge kann nur durch eine Kontrolle vor einer ersten Veröffentlichung der in Rede stehenden Anzeige wirksam begegnet werden. Dass der Beklagten ohne dahingehende Prüfpflichten das Irreführungspotenzial einer konkreten Anzeige - etwa durch den Hinweis eines Dritten wie des Kläger - vor Ablauf einer Anzeigenkampagne bewusst würde, kann allenfalls für Ausnahmefälle angenommen werden. Eine Reduzierung der Prüfpflichten auf die der Beklagten von dritter Seite angezeigten Fälle würde daher den gebotenen Schutz des Verbrauchers nicht in dem gebotenen Umfange gewährleisten. Die Durchführung einer solchen Kontrolle vor der Schaltung einer Anzeige ist der Beklagten auch zumutbar. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist - wie der BGH ausdrücklich judiziert hat (a.a.O. Rz 38) - auf die zur Störerhaftung entwickelten Grundsätze abzustellen.

Nach diesen von der Rechtsprechung seit langem entwickelten und in der Entscheidung “Schlank-Kapseln” aus dem Jahre 2006 (BGH GRUR 2006, 429) nochmals bestätigten Grundsätzen haftet der Herausgeber eines Presseorgans, etwa eines Anzeigenblattes, zwar nur für grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Wettbewerbsverstöße, dies aber nicht nur nach vorherigem konkretem Hinweis auf die Wettbewerbswidrigkeit von dritter Seite, sondern auch ohne einen solchen.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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