Kostenlose Urteile und Gerichtsentscheidungen

Detailansicht Urteil

Vermieter muss Parabolantenne an seinem Haus trotz vorhandenem Kabelanschluss dulden, wenn diese für die Informationsfreiheit aufgrund der kulturellen Besonderheiten des ausländischen Mieters es erfordert; Art. 14 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 GG
BVerfG Karlsruhe, AZ: 1 BVR 1314/11, 31.03.2013
Entscheidung
im Volltext
herunterladen
Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Zu den allgemein zugänglichen Quellen, auf die sich die Informationsfreiheit erstreckt, gehören insbesondere Hörfunk- und Fernsehprogramme. Da das Grundgesetz keinen Unterschied zwischen in- und ausländischen Informationsquellen macht, gehören zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen auch alle ausländischen Rundfunkprogramme, deren Empfang in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist (vgl. BVerfGE 90, 27 <32>).

Soweit der Empfang von Rundfunkprogrammen von technischen Anlagen abhängt, erstreckt sich der Schutz der Informationsfreiheit auch auf die Anschaffung und Nutzung solcher Anlagen. Die Installation einer Parabolantenne, die den Empfang von Rundfunkprogrammen ermöglicht, die über Satellit ausgestrahlt werden, ist daher ebenfalls von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützt (vgl. BVerfGE 90, 27 <32 f.>).

Allerdings findet die Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch die miet- und eigentumsrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehören.

Dies erfordert in der Regel eine fallbezogene Abwägung der Gerichte, bei der die Eigentümerinteressen des Vermieters an der auch optisch ungeschmälerten Erhaltung des Wohnhauses und die Informationsinteressen des Mieters an der Nutzung zugänglicher Informationsquellen zu berücksichtigen sind.

Insbesondere darf dies nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Nutzung anderer Informationsquellen wie Zeitungen unterbleiben.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass ihr Lebensalltag tatsächlich vom Gebrauch der turkmenischen Sprache und turkmenischen Traditionen geprägt ist, obwohl sie nie in den turkmenischsprachigen Herkunftsgebieten ihrer Vorfahren gewohnt haben, und ob das von ihnen geltend gemachte besondere Informationsinteresse auch mittels der über die vorhandene zentrale Satellitenempfangsanlage zu empfangenden türkischen Programme gedeckt werden kann.
Dass das BVerfG einen Verweis auf alternative Infiormationsquellen nicht akzeptiert und diesem Zusammenhang nur Zeitungen benennt, erscheint angesichts der Bedeutung und Verbreitung des Internets nicht mehr tragfähig. Mittlerweile bietet das Internet nicht nur mehr und umfassendere Informationsquellen, als das Fernsehen, sondern bietet, wenn auch zeitverzögert, aktuelle Fernsehsendungen frei abrufbar an.

Über die Konsequenzen seiner Entscheidung ist sich das BVerfG wohl nicht im klaren gewesen. Bevor künftig ein Vermieter an seinem (womöglich noch denkmalgeschützten) Haus eine Parabolantenne dulden muss, wird er sich zweimal überlegen, an wen er vermietet.

Auch hat das BVerfG nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Anbringen einer Parabolantenne nicht nur dass Haus in seiner Ästhetik und Substanz beeinträchtigt, sondern auch noch einen Nachahmungseffekt andere Mieter heraufbeschwört.

Denn bei allem kulturellen Verständnis wird man zu berücksichtigen haben, das dass das Argument der Informationsfreiheit häufig nur vorgeschoben ist, weil die Anbringung einer Parabolantenne kostenmäßig günstiger ist, als die Benutzung des gebührenpflichtigen Kabelanschlusses.

Das BVerfG (BVerfGE 90, 27) hatte die Informationsfreiheit in einer früheren Entscheidung aus dem Jahre 1994 noch differenzierter gesehen und eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Eigentum und dem Grundrecht auf Informationsfreiheit verlangt.

Nunmehr nimmt das BVerfG gar keine Abwägung der Grundrechte mehr vor, sondern prüft nur noch, ob das Recht auf Informationsfreiheit aufgrund eines berechtigten Interesses des Mieters verletzt ist.

Man hätte vom BVerfG mehr erwarten dürfen. Die Bedeutung der Informationsbeschaffung aus dem Internet war beim BVerfG wohl noch nicht präsent.
Entscheidung im Volltext herunterladen
Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Meinungsfreiheit Informationsfreiheit fernsehen Fernsehn Fernsen Fernsehsender Sender Empfang Kanal Heimatsender Programm Ausland ausländischer Mieter Duldung Antenne Parabolantenne Ausländer Türke Migrant