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Wohnungseigentümergemeinschaft ohne Verwalter kann nicht verklagt werden: Klage ist als unzulässig abzuweisen, auch wenn die Gemeinschaft nicht verklagt wurde (???) - §§ 9b Abs. 1 WEG; 57, 263 ZPO
AG Konstanz, AZ: 4 C 525/20 WEG, 06.05.2021
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1. Fehlt einer Wohnungseigentümergemeinschaft das vertretungsberechtigte Organ (Verwalter) und kann wegen konträrer Interessen nicht gemeinschaftlich gehandelt werden, ist eine gegen die Gemeinschaft gerichtete Klage als unzulässig abzuweisen, da es dem Rechtsstaat aus Kostengründen nicht zumutbar ist, einen Prozesspfleger zu bestellen (???).

2. Das Ergebnis der Unzulässigkeit einer Klage wegen fehlender Prozessfähigkeit der WEG ist auch sachgerecht, da die fehlende Handlungsfähigkeit des Verbandes die Eigentümer alleine zu verantworten haben, sowohl was das Fehlen des Organes angeht, als auch die negativen Folgen (???).

3. Wurde in dem beA-Verfahren nur ein Schriftsatz-Doppel beigefügt, ist das Gericht nicht in der Lage, diesen an fünf Beklagte gleichzeitig zuzustellen (???).

4. Macht der Prozessbevollmächtigte der Kläger keine Ausführungen dazu, an wen der Schriftsatz zuzustellen ist, könnte er so verstanden werden, dass er an die Kläger zuzustellen ist als Vertreter der WEG (???).

5. Die WEG als Beklagte zu 4 steht nur deshalb im Rubrum, um formal darzustellen, dass sie verklagt wurde. Hierdurch soll sich (wie den im Tatbestand wiedergegebenen Hinweisen zu entnehmen) weder eine Rubrumsberichtigung oder eine zugelassene Partei- und Klagänderung ergeben (???).
Es gibt Entscheidungen, die dürfte es gar nicht geben. Sie gibt es aber doch. Hier wurde aus dem schönen Konstanz mit einer amtsrichterlichen Entscheidung dazu beigetragen, die Rechtsstaatlichkeit ins Wanken zu bringen.

Das Gericht beschwerte sich erst einmal, dass bei einer Übersendung eines Schriftstückes per beA für vier Beklagte die Abschriften nur einmal übermittelt wurden und schloss daraus, dass das Gericht es so verstehen müsste, dass der Kläger die Zustellung an sich selbst als Vertreter der Gemeinschaft veranlasst wissen möchte (Das ist kein Scherz).

Den Unterschied, warum der einmalige Ausdruck einer vierfachen elektronischen Abschrift ein anderes Ergebnis haben sollte als der vierfache Ausdruck einer einfachen elektronischen Abschrift, hatte das Gericht leider nicht dargelegt. Denn dann hätte das Gericht wohl feststellen müssen, das § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO vorschreibt, dass bei elektronisch übermittelten Dokumenten keine Abschriften mehr beigefügt werden müssen.

Dass die WEG als Verband ohne Verwalter nicht verklagt werden kann, weil keine Zustellung möglich wäre, ist sehr starker Tobak, da § 9b Abs 1 S. 2 WEG ausdrücklich vorschreibt, dass die Eigentümer sich selbst vertreten. Ggfls. muss ein Verfahrenspfleger bestellt werden oder die Zustellung ist an einen der übrigen Wohnungseigentümer oder auch an alle übrigen Wohnungseigentümer zu bewirken (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 45 RdNr. 12).

Nach Auffassung des Amtsgerichts haben die Eigentümer es selber zu verantworten, dass Klagen gegen den Verband unzulässig abzuweisen sind, weil kein Verwalter bestellt wurde. Das ist eine völlig verfehlte Rechtsauffassung. Gerade in kleineren oder zerstrittenen Gemeinschaften ist die Bestellung eines Verwalter schwierig bis unmöglich. Wenn die Mehrheit keinen Verwalter wünscht, kann die Minderheit noch nicht einmal auf Bestellung eines Verwalters gegen die WEG klagen, da die Klage nicht zugestellt werden könnte. So rationalisiert man sich als Richter seinen eigenen Arbeitsplatz weg.

Krönung der Entscheidung ist die Auffassung des AG Konstanz, dass die Klage gegen die WEG als unzulässig abgewiesen wird, obwohl die WEG gar nicht Partei des Verfahrens ist, aber aus formalen Gründen dort aufgeführt wurde, um zu dokumentieren, dass die WEG verklagt wurde.

Auch nach mehrmaligem Lesen ist nicht verständlich, was das Gericht mitteilen wollte. Offensichtlich wollte das Gericht eine Klageänderung verneinen, hatte an eine Klageerweiterung nicht gedacht, stand dann aber vor dem Problem, dass es ein Klageverfahren ohne beklagte Partei gegeben hätte.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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