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Parteibezeichnung kann der Auslegung unterliegen / Falscher Verteilerschlüssel wirkt sich grds. auf die Zahlungspflichten aus / Drei Vergleichsangebote bei größeren Vorhaben Pflicht
LG München I, AZ: 1 S 2338/22, 13.07.2022
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1. Da die Bezeichnung der Parteien in der Klageschrift grundsätzlich auslegungsfähig ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, gegen wen sich die Klage richten soll; Klarstellungen durch den Kläger im Laufe des Prozesses sind zulässig. Maßgebend für die Auslegung ist, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus Sicht der Empfänger (Gericht und der Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Das gilt selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung.

Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn die Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden Person gewählt wird, solange nur unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist.

2. Nach der ab 01.12.2020 geltenden Rechtslage beschließen die Wohnungseigentümer gem. § 28 II WEG nicht mehr über die Jahresabrechnung als Rechenwerk und ihre einzelnen Bestandteile, sondern auf der Grundlage der vom Verwalter erstellten Abrechnung nur noch über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse.

Dementsprechend können Fehler in der vom Verwalter vorgelegten Jahresabrechnung eine Anfechtung des Beschlusses gem. § 28 II WEG über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung von Vorschüssen grundsätzlich nur dann begründen, wenn sie sich auf die Höhe der Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer, also der von ihnen zu leistenden Nachschüsse oder den Umfang der Anpassung der beschlossenen Vorschüsse auswirken.

Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn in der Abrechnung die Kosten einzelner Positionen nach einem fehlerhaften Verteilungsschlüssel (z. B. nach m² oder Einheiten anstatt dem Verhältnis der Miteigentumsanteile) umgelegt wurden.

3. Ein gefasster Beschluss über den Einbau einer neuen Gasheizungsanlage i.H.v. 39.979,33 € ist für ungültig zu erklären, wenn Vergleichsangebote weiterer Anbieter nicht eingeholt wurden. Ein Beschluss über die Beauftragung von Maßnahmen, die mit einem größeren Kostenaufwand verbunden sind, entspricht nämlich regelmäßig nur dann den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn zuvor mehrere, in der Regel mindestens drei, Konkurrenzangebote eingeholt wurden, um den Eigentümern einen Überblick über die am Markt erhältlichen Leistungen zu verschaffen und eine Überteuerung zu vermeiden.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop Wohnungseigentümerversammlung