Zu schwierigen Standardproblemen im Nachbarrecht: Kameraüberwachung, Grenzzaun, Überhang, zu geringe Grenzabstände, §§ 31, 32, 42 NachbG NRW, 908, 910, 1004 BGB
OLG Düsseldorf, AZ: 1-9 U 188/23, 13.01.2025
1. Haben die Beklagten nach dem unstreitigen Parteivorbringen die streitgegenständliche Unterlassungserklärung abgegeben und auch abgeben wollen, führt die falsche Bezeichnung ihres Familiennamens nicht zu der Annahme, dass die Unterlassungserklärung und die versprochene Strafe nicht wirksam von ihnen erklärt worden sind.
Handelt es sich bei der installierten Kamera um ein schwenkbares Modell, bei dem eine Ausrichtung zum Nachbargrundstück möglich ist, muss zusätzlich die Kamera in in Richtung des Nachbargrundstücks zumindest vorübergehend ausgerichtet gewesen sein.
Die Rechtskraft erstreckt sich nicht auf einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die betroffene Entscheidung aufbaut. Demnach ist zwischen den Parteien lediglich die Verpflichtung zum Unterlassen der Ausrichtung von Kameras auf das Klägergrundstück in Rechtskraft erwachsen, nicht aber die Frage, ob die Beklagten hiergegen bereits verstoßen haben.
2. Verlangt ein Nachbar von dem anderen die Mitwirkung an einer gemeinsamen Grenzeinrichtung, muss im Klageantrag die Art der Mitwirkung im Einzelnen bezeichnet werden.
Entgegen ihrer Intention haben die Beklagten diesen Antrag mit ihrer Anschlussberufung auch nicht in zulässiger Weise dadurch konkretisiert, dass sie als Mitwirkungshandlung die Entfernung des allein auf dem Klägergrundstück der Kläger befindlichen entlang der Grenze verlaufenden Holzzauns nebst Stabgitterelementen bezeichnet haben. Die Konkretisierung eines Begehrens kann nicht dadurch erfolgen, dass es auf einen anderen Anspruch gestützt wird.
Der Anspruch auf Beseitigung eines entlang der Grenze verlaufenden Zauns ergibt sich nicht aus § 32 NachbG, da die Vorschriften des NachbG NRW nur die Einfriedigungspflicht regeln, nicht aber auch einen entsprechenden Beseitigungsanspruch des Grundstücksnachbarn. Vielmehr ergibt sich ein solcher Anspruch aus der in § 50 NachbG NRW enthaltenen Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und damit auf die hier maßgebliche Bestimmung des § 1004 BGB.
Dem Umstand, dass die beiden Ansprüche in tatsächlicher Hinsicht eng miteinander verwoben sind, wird dadurch Rechnung getragen, dass sie im Wege der Antragshäufung miteinander verbunden werden können. Dies führt indes nicht dazu, dass die Beseitigung eine Mitwirkungshandlung im Sinne der § 32 ff NachbG darstellen kann.
3. Ein Überwuchs gem. § 910 BGB liegt nur vor, wenn eine Grenzüberschreitung erfolgt.
Ein Anspruch auf Kürzung und regelmäßigem Rückschnitt der Hecken in der Höhe kann nicht auf § 910 BGB analog gestützt. Für eine analoge Anwendung des § 910 BGB besteht mangels Vorliegens einer Regelungslücke kein Bedürfnis, da ein Rückschnitt der Hecke bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzqngen über § 1004 BGB beansprucht werden kann.
Zwar stellt § 1004 Abs. 1 BGB für eine derartige Forderung eine grundsätzlich taugliche Anspruchsgrundlage dar. Allerdings ist Voraussetzung für einen derartigen Anspruch eine konkrete Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks Die Beklagten
stützen ihre Widerklage insoweit ausschließlich darauf, dass es aufgrund der hohen
Hecken zu einer erheblichen Verschattung ihres Grundstücks kommen würde. Sogenannte negative Einwirkungen, wie sie in der Entziehung von Licht begründet sind, stellen aber nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade keine Eigentumsbeeinträchtigung dar.
Zwar kann ein Eigentümer auch Beeinträchtigungen von solchen Einwirkungen abwehren, die von einem Nachbargrundstück ausgehen und den gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts widersprechen. Dabei stellt die Nichteinhaltung der nach den Vorschriften des § 42 NachbG NRW vorgeschriebenen Grenzabstände eine Eigentumsstörung im Sinne von § 1004 BGB dar, bei der auch das Zurückschneiden der Hecke in der Höhe auf das zulässige Maß verlangt werden kann.
Jedoch ist ein Anspruch auf Beseitigung einer Anpflanzung, mit der ein geringerer als der in § 42 NachbG NRWvorgeschriebene Abstand eingehalten wird, ausgeschlossen, wenn der Nachbar nicht binnen sechs Jahren nach dem Anpflanzen Klage auf Beseitigung erhoben hat. Dabei ist anerkannt, dass diese Ausschlussfrist auch den Anspruch auf Zurückschneiden einer Hecke auf die zulässige Höhe erfasst. Nach AblauF der dort normierten sechsjährigen Ausschlussfrist kann der Nachbar die Entfernung oder Kürzung der Hecke nicht mehr verlangen, sondern er muss das Höhenwachstum dulden (BGH V ZR 102/03).
4. Nach § 31 NachbG NRW müssen mit Aufschichtungen von Holz, Steinen, Stroh und dergleichen sowie sonstige mit dem Grundstück nicht fest verbundene Anlagen, die nicht über 2 m hoch sind, einen Mindestabstand von 0,50 m von der Grenze einhalten (hier: Gabionen).
Der Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 4 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Eigentümer von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Störers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Der Einrede der Verjährung steht auch nicht entgegen, dass Teile der Gabionen schief stehen würden, da Anknüpfungspunkt der mit diesem Anspruch geltend gemachten Eigentumsstörung die Verletzung der Grenzabstände und nicht die Schieflage der Gabionen oder deren fehlende Standsicherheit ist, da insoweit eine Eigentumsbeeinträchtigung nicht festgestellt werden kann.
Schließlich ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auf Entfernung der schiefen Gabionen auch nicht aus § 908 BGB, da aus dieser Norm nur die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Vorkehrungen verlangt werden kann.
Denn der Anspruch aus § 908 BGB ist nur darauf gerichtet, dass der Schuldner die erforderlichen Vorkehrungen zur Gefahrenbeseitigung trifft, was entweder eine
Reparatur oder den Abbruch des Werkes bedeuten kann.
Dementsprechend ist aber auch der Klageantrag nur darauf zu richten, dass die erforderlichen Vorkehrungen zur Abwendung der Gefahr getroffen werden müssen und nicht auf die Vornahme bestimmter Maßnahmen. Denn deren Auswahl steht - wie
auch bei § 1004 BGB - allein dem Verpflichteten zu.
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