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mehrheitlicher Umlaufbeschluss gem. § 23 Abs. 3 WEG nur bei umfassender Vorbefasung auf einer Eigentümerversammlung möglich
AG Bochum, AZ: 94 C 2/22, 14.07.2022
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§§ 23 Abs. 3, 44 WEG
Ein Beschluss, der Regelungen enthält, die auch für einen Sondernachfolger gelten sollen, ist wie eine Grundbucheintragung auszulegen. Beschlüsse sind daher "aus sich heraus" objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der beteiligten Wohnungseigentümer ankäme.

Soweit der Beschlusstext ausführt, der jeweilige Balkon bzw. die Terrasse solle "instandgesetzt" werden, ist dies im Kontext der Protokollierung nichtssagend. Diese enthält keinerlei weitere Ausführungen oder auch nur Bezugnahmen auf Anlagen, aus denen auch ein Sonderrechtsnachfolger entnehmen könnte, was die jeweils beschlossene Instandsetzung, zumindest in groben Zügen, beinhaltet.

Eine Sonderumlage ohne geeignete Schätzgrundlage widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Um eine Ermessensentscheidung überhaupt der gerichtlichen Überprüfung auf Ermessensfehler zugänglich zu machen, sind tragende Erwägungen in das Protokoll der Eigentümerversammlung aufzunehmen.

Gemäß § 23 Abs. 3 S. 1, S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer - in der Wohnungseigentümerversammlung anders als außerhalb, mit einfacher Mehrheit - beschließen, dass für den einzelnen Gegenstand, über den im Umlaufverfahren Beschluss gefasst werden soll, die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.

Da bei einem solchen Vorgehen eine umfassende Information und Diskussion der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte, und damit zum Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts gehörende Rechte, gefährdet erscheinen, muss jedoch das Tatbestandsmerkmal des "einzelnen Gegenstands" einschränkend ausgelegt werden.

Ist nicht ersichtlich, welchen konkreten Sanierungsbedarf das Gemeinschaftseigentum aufweist, besteht ersichtlich noch erheblicher Informations- und Diskussionsbedarf innerhalb der Gemeinschaft. Eine entsprechende Entscheidung zur mehrheitlichen Beschlussfassung im Umlaufverfahren zu stellen, birgt daher gerade die konkrete Gefahr, dass die Wohnungseigentümer, ohne Nachfragen und Bedenken diskutieren und klären zu können, abstimmen und so wiederum Beschlussfassungen ohne hinreichende Tatsachengrundlage erfolgen. Dies widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da so das Kernmitgliedschaftsrecht, durch unmittelbare Diskussion streitiger oder erörterungsbedürftiger Punkte und Meinungsaustausch an der Willensbildung teilzunehmen, im vorliegenden Fall letztlich zu stark verkürzt wird.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Instandsetzung Instandhaltung Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop Sanierung