Kostenlose Urteile und Gerichtsentscheidungen

Detailansicht Urteil

Rechtsanwalt begeht keinen Parteiverrat, wenn er im Scheidungsverfahren einen Ehegatten vertritt, obwohl er beide vorher in der Sache beraten hatte; § 356 StGB
OLG Karlsruhe, AZ: 3 Ss 143/01, 19.09.2002
Entscheidung
im Volltext
herunterladen
Ein Rechtsanwalt, der zunächst beide Eheleute aufgrund deren gemeinsamen Auftrags ausschließlich über die Voraussetzungen und die Herbeiführung der von beiden Eheleuten übereinstimmend gewollten einverständlichen Scheidung ihrer Ehe sowie den Unterhaltsanspruch beraten und den Unterhaltsanspruch berechnet hat, handelt nicht pflichtwidrig i.S.d. § 356 Abs. 1 StGB, wenn er später einen der Ehepartner vertritt und den Unterhaltsanspruch geltend macht.

Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 356 Abs. 1 StGB setzt einen Interessengegensatz zwischen den Parteien voraus. Darin liegt eine wesentliche tatbestandsmäßige Einschränkung. Pflichtwidrig ist das Dienen des Anwalts dann, wenn er einer Partei Rat oder Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in derselben Rechtsache, aber im entgegengesetzten Sinne, bereits Rat und Beistand geleistet hat (BGH, wistra 1991, 221).

Ob der Interessengegensatz vorliegt, ergibt sich aus dem Auftrag, den der Rechtsanwalt erhalten hat; denn dieser Auftrag bestimmt den Umfang der Belange, mit deren Wahrnehmung der Auftraggeber den Rechtsanwalt betraut.

Hiernach ist es rechtlich möglich, dass ein Anwalt in derselben Rechtssache mehreren Beteiligten dient, deren Interessen sich tatsächlich widerstreiten, soweit sich die Interessen der Parteien in derselben Rechtsache vom Standpunkt der Beteiligten aus miteinander vereinigen lassen und soweit sie dem Rechtsanwalt die Wahrnehmung ihres gemeinsamen (vermeintlichen) Interesses anvertraut haben; es handelt sich dann für den Anwalt nicht um Gegenparteien oder um entgegengesetzte Interessen und es kann von einem Missbrauch des Vertrauens im Dienste des Gegners nicht die Rede sein (BGHSt 5, 301, 307, 308).
Entscheidung im Volltext herunterladen
Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Rechtsanwalt Vertretung Parteiverat Parteiverrat rechtsanwalt Frank DOhrmann Bottrop Mandatsverhältnis pflichtwidrigkeit pflichtigwidriges dienen widerstreitende interessen prozessgegnerschaft materieller interssenskonflikt Interessenkonflikt strafrecht