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Welche Voraussetzungen gelten für bauliche Veränderungen nach dem neuen § 20 Abs. 2 WEG?
LG München I, AZ: 36 S 3944/22, 08.12.2022
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§§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1; 44 Abs. 1 WEG

§ 44 Abs. 1 S. 2 WEG hebt dabei den Grundsatz der Antragsbindung nicht auf, gewährt aber eine gewisse Lockerung, da der Kläger nur sein Rechtsschutzziel angeben muss. Er muss in der Regel keinen konkreten Klageantrag stellen, ausreichend ist vielmehr auch ein unbestimmter Klageantrag. Erforderlich ist lediglich, dass der Kläger zur Klarstellung des Streitgegenstandes den aufgetretenen Regelungsbedarf beschreibt und in der Klagebegründung Angaben dazu macht, aus welchen Gründen eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer unterblieben ist.

Eine besondere Sachurteilsvoraussetzung der Beschlussersetzungsklage besteht darin, dass der Kläger vor ihrer Erhebung versucht haben muss, eine Entscheidung der Wohnungseigentümer über den nach seiner Behauptung notwendigen Beschluss selbst herbeizuführen.

Das WEMoG hat in den §§ 20 und 21 WEG ein neues System der baulichen Veränderungen geschaffen. Eine der gesetzgeberischen Wertentscheidungen dabei war es, bestimmte bauliche Veränderungen zu privilegieren (§ 20 Abs. 2 WEG). Für Maßnahmen der Barrierereduzierung, der Elektromobilität, des Einbruchsschutzes und des Glasfaserausbaus braucht es nicht einmal den Willen der Mehrheit.

Bei der Beurteilung, ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, d.h. ob ein Privilegierungsfall i.S.v. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 4 WEG gegeben und die begehrte Maßnahme angemessen i.S.v. § 20 Abs. 1, S. 1 a.E. WEG ist sowie ob die Veränderungssperre des § 20 Abs. 4 WEG gewahrt wird, steht dem Gericht im Rahmen der Beschlussersetzungsklage ebenso wenig ein Ermessenspielraum zu, wie ihn die Versammlung hätte. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, hat der Einzelne einen unbedingten Anspruch auf Fassung eines zustimmenden Beschlusses nach § 20 Abs. 1 WEG.

Der klagende Wohnungseigentümer ist für die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 WEG darlegungs- und beweisbelastet. Etwas anderes gilt für die Angemessenheit. Die Unangemessenheit muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer darlegen und beweisen.

Der Anspruch auf privilegierte Maßnahmen ist nach dem einleitenden Satzteil des § 20 Abs. 1 Nr. 1 WEG auf "angemessene" bauliche Veränderungen beschränkt. Dieses Merkmal hat die Funktion, im Einzelfall unangemessene Forderungen zurückweisen zu können; was unangemessen ist, soll nach der Gesetzesbegründung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden.

Man wird sagen können, dass eine Maßnahme angemessen ist, wenn ihre negativen Folgen bei wertender Betrachtung nicht außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck stehen.

Eine Benachteiligung scheidet begrifflich von vorneherein aus, soweit alle Wohnungseigentümer gleichermaßen beeinträchtigt werden.

§ 20 Abs. 2 S. 2 WEG schränkt den Anspruch aus Abs. 2 S. 1 insoweit ein, als dass der Wohnungseigentümer keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchführung der baulichen Veränderung hat. Sein Anspruch beschränkt sich auf das "Ob", erstreckt sich hingegen nicht auf das "Wie". Dieses liegt vielmehr im Ermessen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop