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Arbeitsvermittlung an Bordellbetreiber???; §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 36 SGB III; 1, 3 ProstG
BSG Kassel, AZ: B 11 AL 11/08 R, 06.05.2009
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Die Vermittlung von Arbeitssuchenden umfasst nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III i.d.F. des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I 594) u.a. alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen.

Zu diesen Tätigkeiten gehören nicht nur die konkreten unmittelbaren Vermittlungsbemühungen, sondern bereits auch Vorbereitungshandlungen wie etwa die Entgegennahme von Arbeitsangeboten, Arbeitsgesuchen usw. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift hat die Agentur für Arbeit durch Vermittlung u.a. darauf hinzuwirken, dass Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle und Arbeitgeber geeignete Arbeitnehmer erhalten.

Daraus folgt, dass derjenige, der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit geltend macht, ein subjektiv-öffentliches Recht auf deren Tätigwerden hat.

Eine Arbeitsvermittlung in die Prostitution, die mit der entgeltlichen Vornahme sexueller Handlungen oder anderer Dienstleistungen mit eindeutig sexuellem Bezug verbunden ist, beraubt den Anbietenden, auch wenn er nicht zur Leistung verpflichtet ist, seiner Subjektqualität und der Freiheit in seiner Intimsphäre.

Die Grundrechtsbindung der Beklagten als Träger öffentlicher Verwaltung nach Art 1 Abs. 3, Art 20 Abs. 2 GG gilt objektiv und ist unabhängig von einem etwaigen Verzicht einzelner Arbeitsuchender auf die entsprechende Schutzwirkung. Menschenwürde in diesem Sinn ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Achtung und der Schutz des Wertes, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt.

Für den Bereich der Arbeitsvermittlung unter Beachtung der beschäftigungspolitischen Zielsetzung des SGB III kann deshalb nicht entscheidend sein, ob die Prostitution als solche unter dem Gesichtspunkt eines Wandels der Wertvorstellungen noch einem sozialethischen Unwerturteil unterliegt oder nicht.

Eine im Bereich der Prostitution unterbleibende Vermittlungstätigkeit der Beklagten berührt zwar die Berufsfreiheit der Prostituierten und der Bordellbetreiber, wie des Klägers. Indes stehen beide Grundrechte unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung (Art 2 Abs. 1 GG) bzw. kollidierenden Verfassungsrechts.

Ein Ausschluss der Arbeitsvermittlung im Bereich der Prostitution vermeidet die Gefahr, dass der Arbeitslose ungewollt mit Stellenangeboten aus diesem Bereich konfrontiert wird. Es erübrigt sich ferner auch die schwierige Abgrenzungsfrage, inwieweit einem Arbeitslosen Beschäftigungen im Bereich der Prostitution nach den Umständen des Einzelfalles zumutbar sind.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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