Kostenlose Urteile und Gerichtsentscheidungen

Detailansicht Urteil

Eigentümergemeinschaft darf dem Verwalter in einem Anfechtungsprozess keine Weisung erteilen, auch nicht durch Beschluss; § 21 Abs. 4 WEG
AG Berlin-Charlottenburg, AZ: 73 C 17/15, 11.09.2015
Entscheidung
im Volltext
herunterladen
Das rechtliche Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen entfällt nicht dadurch, dass die Beschlüsse, keine Belastung des klagenden Eigentümers im wirtschaftlichen Sinne zur Folge hätten. Aus dem Recht jedes Wohnungseigentümer, eine ordnungsmäßige und dem Gesetz entsprechende Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und des gemeinschaftlichen Vermögens verlangen zu können (vgl. § 21 Abs. 4 WEG) folgt sein Recht, zu verlangen, das die Eigentümerversammlung nur rechtmäßige Beschlüsse fasst.

Ein Mehrheitsbeschluss einer Wohnungseigentümerversammlung bedarf, um im Sinne des § 23 Abs. 4 WEG rechtlich verbindlich zu sein, einer Beschlusskompetenz (BGH NJW 2000, 3500 ff.).

Auf Grund seiner Befugnis im § 27 Abs. 2 Nr. 2 ist der Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentum berechtigt, im Namen aller Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie insbesondere einen Rechtsstreit gemäß § 43 Nr. 4 WEG, also einen Anfechtungsrechtsstreit, auf der Passivseite zu führen. Diese Vertretungsmacht ist grundsätzlich umfassend zu verstehen. Eine Beschlusskompetenz, also eine Befugnis der Eigentümermehrheit, dem Verwalter insoweit per Mehrheitsbeschluss Weisungen zu erteilen, sieht das Gesetz nicht vor.

Welche Maßnahmen er dabei im Einzelnen ergreift und ob er Rechtsmittel (Berufung) einlegt, ist im Grundsatz seinem pflichtgemäßen Ermessen zu überlassen, solange er die Eigentümer ordnungsgemäß gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG über den Rechtsstreit unterrichtet und ihm von den einzelnen Eigentümern keine Weisungen erteilt werden bzw. sich einzelne Eigentümer, was ihnen unbenommen ist, erklären, dass sie nicht vom Verwalter vertreten werden wollen und den Rechtsstreit soweit es sie betrifft selbst führen möchten.

Der Verwalter ist nur soweit und solange in seinem pflichtgemäßen Ermessen frei, den Rechtsstreit zu führen, als ihm nicht von einem einzelnen Eigentümer mit Wirkung für und gegen diesen alleine eine andere Weisung erteilt wird. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass eine ungeschriebene Beschlusskompetenz der Norm des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG nicht entnommen werden kann.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass eine ungeschriebene Beschlusskompetenz der Norm des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG nicht entnommen werden kann. Würde etwa die Mehrheit beschließen, eine Berufung hier zurückzunehmen, so könnte durchaus ein einzelner Eigentümer, der den Beschluss verteidigen möchte, die Berufung fortsetzen.

Soweit der Verwalter auf Grund seiner Vertretungsmacht Kosten auslöst für Gerichtsgebühren oder Anwaltshonorar, sind diese grundsätzlich von allen Eigentümern direkt zu begleichen in Höhe ihres Anteils. Eine Sonderumlage darf insoweit nicht beschlossen werden, da im Einzelfall zu prüfen ist, welche Eigentümer vom Verwalter tatsächlich insoweit wirksam vertreten wurden.
Die Entscheidung des AG Charlottenburg ist überzeugend und differenziert endlich einmal zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem einzelnen beklagten Wohnungseigentümer, der alleine Partei in einer Anfechtungsklage ist.

Demzufolge ist es richtig, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Weisung an den Verwalter erteilen darf, insbesondere auch nicht über die Einlegung von Rechtsmitteln beschließen darf. Dies ist alleine Aufgabe eines jeden einzelnen Wohnungseigentümers, welcher rechtzeitig intervenieren muss, wenn er mit einem Rechtsmittel oder einer Vertretung durch einen vom Verwalter bestellten Rechtsanwalt nicht einverstanden ist.
Entscheidung im Volltext herunterladen
Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Anfechtungsklage Passivprozessführung Passivprozess Rechtsanwalt frank Dohrmann Bottrop Vertretung