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Beweisverwertungsverbot bei erkennbar positionierten Videokameras
BAG Erfurt, AZ: 8 AZR 421/17, 28.03.2019
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Der Anspruchsteller kann vom Anspruchsgegner weder nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB noch nach § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB iVm. § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 oder § 266 Abs. 1 StGB Schadensersatz verlangen, wenn es bereits an einem schlüssigen Vorbringen des Anspruchsstellers zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach diesen Bestimmungen fehlt.
Es dürfen, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber gelegen hat, an die Darlegungslast des Arbeitgebers keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, sondern der Arbeitnehmer hat im Sinne einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu äußern.

Für ein eventuelles Beweisverwertungsverbot kommt es auf die Frage an, ob ein Eingriff in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt und ob dieser Eingriff zulässig ist.
Sofern die Datenerhebung und -verwertung nach den Bestimmungen des BDSG aF erfolgen durfte, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Verwertung der so gewonnenen Beweismittel durch das Gericht im Einzelfall einen Grundrechtsverstoß darstellt.

Ein "verfassungsrechtliches Verwertungsverbot" kommt nur in Betracht, wenn bereits durch die Informations- oder Beweisbeschaffung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Partei verletzt worden ist, ohne dass dies durch überwiegende Belange der anderen Partei gerechtfertigt gewesen wäre.
Ein Verwertungsverbot scheidet von vornherein aus, wenn die umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen und Grundrechtspositionen im Rahmen der Generalklauseln des § 32 Abs. 1 BDSG aF zugunsten des Arbeitgebers ausfällt.

Es kann sein, dass die gerichtliche Verwertung weder einen ungerechtfertigten Grundrechtseingriff darstellt noch aufgrund einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht zu unterlassen ist, weil durch sie die ungerechtfertigte "vorprozessuale" Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Prozesspartei nicht perpetuiert oder vertieft würde und der Verwertung auch Gründe der Generalprävention nicht entgegenstehen.
Sofern ein Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht, erfasst dieses nicht allein das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, sondern steht auch einer mittelbaren Verwertung, wie der Vernehmung von Zeugen über den Inhalt des Beweismittels entgegen.

§ 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF stellt für die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen des § 6b Abs. 3 BDSG aF unabhängige Erlaubnisnorm dar.
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Dabei gehört zur Durchführung die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann.

Ein Arbeitgeber darf grundsätzlich alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer Kündigung und/oder das Bestehen von Schadensersatzansprüchen zu erfüllen.
Die Speicherung von Bildsequenzen, die geeignet sind, den mit einer rechtmäßigen Videoaufzeichnung verfolgten Zweck zu fördern, bleibt, weil es sich oft um die einzigen, regelmäßig aber um die "zuverlässigsten" Erkenntnis- und Beweismittel handelt, grundsätzlich erforderlich, bis der Zweck entweder erreicht oder aufgegeben oder nicht mehr erreichbar ist.
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