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Kann ein Roman aufgrund von Jugendschutzgründen indiziert werden?
BVerfG Karlsruhe, AZ: 1 BvR 402/87, 27.11.1990
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Ein pornographischer Roman kann Kunst im Sinne von Art 5 Abs 3 Satz 1 GG sein. Die Anerkennung der Kunsteigenschaft darf nicht von einer staatlichen Stil-, Niveau-, und Inhaltskontrolle abhängig gemacht werden.

Der Gesetzgeber durfte ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen, dass Schriften jugendgefährdende Wirkung haben können. Dabei brauchte er seine legislatorischen Maßnahmen nicht vom wissenschaftlich-empirischen Nachweis abhängig zu machen, ob literarische Werke überhaupt einen schädigenden Einfluss auf Kinder und Jugendliche ausüben können. Diese Annahme liegt im Bereich der ihm einzuräumenden Einschätzungsprärogative.

Da Kunstwerke nicht nur auf der ästhetischen, sondern auch auf der realen Ebene Wirkungen entfalten können, haben sich Bundesprüfstelle und Fachgerichte im Rahmen des verfahrensrechtlich Möglichen, unter Umständen durch sachverständig-gutachterliche Ermittlung, Gewissheit darüber zu verschaffen, welchen schädigenden Einfluss die konkrete Schrift

Die Indizierung einer als Kunstwerk anzusehenden Schrift, setzt auch dann eine Abwägung mit der Kunstfreiheit voraus, wenn die Schrift offensichtlich geeignet ist, Kinder oder Jugendliche sittlich schwer zu gefährden (§ 6 Nr 3 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften - GjS - JURIS = JgefSchrG).

Die Vorschrift des § 9 Abs 2 GjS ist mit GG Art 5 Abs 3 S 1 iVm dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, weil die Auswahl der Beisitzer für die Bundesprüfstelle nicht ausreichend geregelt ist. Die Vorschrift enthält kein - auch nicht in Form einer GG Art 80 Abs 1 S 2 genügenden Verordnungsermächtigung - rechtssatzförmig festgelegtes Verfahren, das dem Interesse an einer möglichst umfassenden Ermittlung aller bei der Indizierungsentscheidung zu beachtenden Gesichtspunkte Rechnung trägt.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von iurado
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