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Dringend erforderliche Instandsetzungsmaßnahme auch ohne vorherige Beschlussfassung gerichtlich durchsetzbar; §§ 9a, 18 Abs. 2 WEG
AG Saarbrücken, AZ: 36 C 117/21, 28.10.2021
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1. Dem Miteigentümer der beklagten Eigentümergemeinschaft steht gemäß § 18 Abs. 2 WEG ein Individualanspruch zu auf alle diejenigen gebotenen Maßnahmen, die für eine ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich sind. Die beklagte Eigentümergemeinschaft ist gemäß § 9a WEG Verpflichtete der Ansprüche aus § 18 WEG.

Die dauerhafte Stilllegung einer im Gemeinschaftseigentum befindlichen Anlage ist keine solche gebotene Maßnahme zur Erhaltung des Gemeinschaftseigentums. Vielmehr stellt sie den Entzug eines wesentlichen Bestandteils des Gemeinschaftseigentums dar und ist damit auf die Veränderung seiner sachlichen Substanz gerichtet.

2. Das Erfordernis einer vorherigen Beschlussfassung ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant. Vielmehr ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers darauf gerichtet, die Funktionstüchtigkeit des Aufzuges grundsätzlich wieder herzustellen. Dabei obliegt es der Beklagten selbst, konkrete Schritte auf dieses Ziel hin zu veranlassen, entsprechende Beschlüsse zu fassen und weitere Maßnahmen vorzunehmen.

3. Auch eine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsunfähigkeit der Miteigentümer rechtfertigt grundsätzlich nicht den Verzicht auf gebotene Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.

4. Die Umstellung des Klageanspruchs gegenüber der Beklagten vor Rechtshängigkeit stellt nur eine Rubrumsberichtigung, aber keinen Parteiwechsel dar.
Die begrüßenswerte Entscheidung des AG Saarbrücken überrascht insoweit, als das Gericht davon ausgeht, dass bei dringend erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen eine vorherige Befassung der Wohnungseigentümer auf einer Eigentümerversammlung nicht erforderlich ist.

Das wird in der Rechtsprechung bisher so nicht gesehen. In der Regel erfordert die Durchsetzung von Instandsetzungsmaßnahmen einen häufig langjährigen Rechtsweg, der damit beginnt, überhaupt erst mal eine Eigentümerversammlung mit dem betreffenden Tagesordnungspunkt durchzusetzen. Erst nach der Befassung und negativen Beschlussfassung wäre der Weg über eine Beschlußersetzungsklage möglich.

Diese Abkürzung mag ein prakmatischer Weg sein, dogmatisch muss aber bezweifelt werden, dass dies der richtige Weg ist.

Sollten andere Gerichte diesen Weg nicht mitgehen, besteht die Gefahr, dass die Durchsetzung des Instandsetzungsanspruchs durch ein derart verlorenes Verfahren noch weiter hingezögert wird.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: REchtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop Vorbefassung Wohnungseigentümerversammlung