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Vorgeschaltetes Schiedsverfahren bei Ansprüchen aus § 906 BGB auch unter Wohnungseigentümern Prozessvoraussetzung; Verwerfung der Berufung durch unzuständig angerufenes Gericht hat keine Bindungswirkung; §§ 15 WEG; 906, 1004 BGB; 15a EGZPO
LG Dortmund, AZ: 1 S 166/16, 24.01.2017
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Ein zeitlich wenig später angerufenes, unzuständiges Landgericht kann die Berufung nicht vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die beim zuvor angerufenen Landgericht eingelegte Berufung als unzulässig verwerfen.

Der gleichwohl durch das später angerufene Landgericht gefasste rechtskräftige Beschluss, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, führt nicht dazu, dass die beim zuvor angerufenen Landgericht form- und fristgerecht eingelegte Berufung bereits beschieden und rechtskräftig verworfen ist.

Eine Berufung kann – auch wenn sie rechtskräftig verworfen worden ist – unter Beseitigung des Mangels erneut eingelegt werden, solange die Rechtsmittelfrist noch läuft. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob das angerufene unzuständige Gericht zufälligerweise das Rechtsmittel noch innerhalb der Berufungsfrist als unzulässig verwirft, so dass der Berufungsführer seine Berufung noch fristgerecht bei dem zuständigen Gericht erneut einlegen kann oder die Berufung bereits bei dem zuständigen Gericht eingelegt ist, wenn das angerufene unzuständige Gericht die Berufung rechtsfehlerhaft verwirft.

Wird ein Unterlassungsanspruch materiell-rechtlich auf § 1004 Abs. 1 i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG gestützt, handelt es dennoch um eine Streitigkeit „über Ansprüche wegen der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelten Einwirkungen“ i.S.d. § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustG NRW, weil der Streitgegenstand den sachlichen Regelungsbereich des § 906 BGB betrifft.

Zwar findet § 906 BGB zwischen den Parteien keine unmittelbare Anwendung, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut voraussetzt, dass die auf das Grundstück des Anspruchstellers einwirkende Störung von einem anderen Grundstück herrührt, es sich mithin um einen grenzüberschreitenden „Eingriff von außen“ handelt (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 230/12 = NZM 2014, 37 (38) Rn. 13). Der sachliche Regelungsbereich des § 906 BGB, die widerstreitenden Nutzungsinteressen von (Grundstücks-) Nachbarn zum Ausgleich zu bringen, ist indes gleichwohl eröffnet. Denn die Vorschrift ist entsprechend anzuwenden, weil das Sondereigentum der Klägerin durch Einwirkungen beeinträchtigt wird, die von dem benachbarte Sondereigentum der Beklagten ausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 230/12).

Ist für das Verhältnis der Sondereigentümer untereinander zumindest grundsätzlich auf die nachbarrechtlichen Regelungen zurückzugreifen (und § 906 BGB entsprechend anzuwenden, sind keine Gründe ersichtlich, die Abwehr von durch Sondereigentümer veranlassten Immissionen von der Gütepflicht auszunehmen. Das Gesetz enthält weder in § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO noch in § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustG NRW eine Einschränkung für WEG-Verfahren, so dass ein gerichtlich geltend gemachter Unterlassungsanspruch analog § 906 BGB ohne Schiedsverfahren als derzeit unzulässig abzuweisen ist.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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