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Zur Kostenhaftung des einer baulichen Veränderung nicht zustimmenden Eigentümers entgegen § 16 Abs. 6 WEG
LG München I, AZ: 1 S 19089/10, 28.02.2011
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Ist dem Eigentümer infolge der Bestandskraft des Beschlusses nach § 23 IV 2 WEG bzgl. einer baulichen Veränderung der Einwand abgeschnitten, er habe nicht zugestimmt, kann er sich auch nicht mehr auf eine Kostenbefreiung infolge des Fehlens der Zustimmung nach § 22 I WEG berufen.

Nach § 22 I 1, 2 WEG bedarf die bauliche Änderung (nur) der Zustimmung der Eigentümer, die Nachteile gemäß § 14 Nr. 1 WEG erleiden. Der Beschluss nach § 22 I 1 WEG kommt also nur dann rechtmäßig zustande, wenn die Zustimmungen aller dieser betroffenen Eigentümer vorliegen. Auf einen entsprechenden Antrag hin muss in diesem Fall ein entsprechender Beschluss gefasst werden. Fehlt demgegenüber eine dieser notwendigen Zustimmungen, ist der Beschluss nach § 22 I 1 WEG nicht zustande gekommen. Verkündet der Verwalter gleichwohl einen positiven Beschluss, ist dieser rechtswidrig. Er ist wegen des Fehlens der notwendigen Zustimmung anfechtbar (LG München I NZM 2009, 868; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 22 Rz. 139; Drabek, in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 22 Rz. 90).

Erfolgt die Anfechtung nicht fristgemäß, bleibt der Beschluss nach § 23 IV 2 WEG gültig und wird bestandskräftig. Das heißt, dass der Anfechtungsgrund nicht mehr geltend gemacht werden kann

§ 16 VI WEG gilt für Maßnahmen nach § 22 I WEG. Eine nach § 22 I WEG zulässige bauliche Änderung oder sonstige Aufwendung im Sinne der Norm (etwa die Kosten für nicht erforderliche Geräte, wie etwa einen sehr lauten Laubbläser) setzt aber voraus, dass alle, die nach § 14 Nr. 1 WEG betroffen sind, zugestimmt haben. § 16 VI WEG kann nach der Gesetzeslage damit nur für diejenigen Eigentümer virulent werden, die nach § 22 I 2 WEG nicht zustimmen brauchten, weil sie nicht nach § 14 Nr. 1 WEG von der Maßnahme benachteiligt werden.

Dass § 16 VI WEG darüber hinaus auch solche Maßnahmen erfasst, denen nicht alle betroffenen Eigentümer zugestimmt haben und die nach § 22 I WEG also gar nicht hätten beschlossen werden dürfen, ist nicht ersichtlich. Wird eine bauliche Änderung ohne eine erforderliche Zustimmung (rechtswidrig) beschlossen, so ist sie nur aufgrund der Bestandskraftwirkungen des Beschlusses zulässig. Die Zulässigkeit ergibt sich also nicht in erster Linie aus § 22 I WEG, sondern aus §§ 23 IV 2, 46 I WEG. Auf letztere Normen verweist § 16 VI WEG aber nicht.

§ 22 I 2 WEG ermöglicht erst die mit gewünschte Lockerung des Einstimmigkeitsgrundsatzes bei baulichen Änderungen (BGH NJW 1992, 978, 980 für § 16 III a.F.; Demharter, MDR 1988, 265, 266). So wird vermieden, dass alle Eigentümer nahezu immer schon allein deswegen im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG betroffen werden und also nach § 22 I 1 WEG zustimmen müssen, weil die bauliche Änderung Kosten verursacht. Denn ohne § 16 VI WEG wären diese Kosten grundsätzlich gemäß § 16 II WEG auf alle Eigentümer anteilig umzulegen und würden diese entsprechend benachteiligen (Demharter MDR 1988, 265, 266). Die mit § 22 I 2 WEG bezweckte Lockerung des Einstimmigkeitserfordernisses würde weitgehend verfehlt.
Das Landgericht München vertritt die Auffasung, dass § 16 Abs. 6 WEG entgegen seines eindeutigen Wortlautes nicht gilt, wenn eine beabsichtigte bauliche Veränderung durch Mehrheitseschluss rechtskräftig wird. Der nicht zustimmende Wohnungseigentümer müsse diesen Beschluss anfechten, um nicht mit den Kosten belastet zu werden.

Das LG München verkennt bei seiner Argumentation, dass es durchaus bauliche Veränderungen geben kann, die nicht gem. § 22 Abs. 1 S. 2 WEG zustimmungspflichtig sind, gleichwohl aber Kosten verursachen. Nach der vom LG München vertretenen Auffassung müsste ein Wohnungseigentümer einen derartigen Beschluss stets anfechten, auch wenn er gegen die bauliche Massnahme als solche nichts habe, nur um sich der Kostentragung zu entziehen.

Insoweit kann jedem Wohnungseigentümer nur dringend angeraten werden, derartige Beschlüsse zu einer baulichen Veränderung immer fristwahrend anzufechten, um nicht letztlich mit den Kosten der baulichen Maßnahme belastet zu werden.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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