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Einzelner Wohnungseigentümer kann bei Säumnis der übrigen Beklagten Wohnungseigentümer ein wirksames Anerkenntnis abgeben; §§ 46 WEG; 62 Abs. 1 ZPO
LG Frankfurt am Main, AZ: 2-13 S 142/12, 26.02.2014
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Eine Säumnis sämtlicher Beklagter liegt nicht deshalb vor, wenn ein Rechtsanwalt sich als vom Verwalter beauftragter Rechtsanwalt für die Vertretung sämtlicher Beklagter meldet. Denn auch wenn der Verwalter befugt ist, aufgrund der gesetzlichen Vertretungsmacht gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG die beklagten Wohnungseigentümer umfassend zu vertreten und für sie einen Rechtsanwalt zu beauftragen, hindert dies einzelne Wohnungseigentümer nicht, für sich selbst aufzutreten oder einen eigenen Prozessbevollmächtigten zu bestellen (BGH WuM 2013, 562 Rn. 15).

Die Vertretungsfiktion des § 62 Abs. 1 ZPO hat zur Folge, dass der nichtsäumige Beklagte die übrigen Beklagten vollständig vertreten kann, dies umfasst nach herrschender Ansicht auch die Abgabe eines Anerkenntnisses.

Hat das Anerkenntnis jedoch keine materiell- und verfahrensrechtliche Doppelnatur, kann es für die Wirksamkeit eines von einem notwendigen Streitgenossen abgegebenen Anerkenntnisses nicht darauf ankommen, ob der nicht säumige Streitgenosse materiell-rechtlich über den Anspruch verfügen kann. Entscheidend ist alleine, ob er zur Abgabe der entsprechenden Prozesserklärung befugt ist.

In prozessualer Hinsicht fingiert § 62 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO jedoch eine umfassende Vertretung des nichtsäumigen Streitgenossen für alle übrigen Streitgenossen (RGZ 90, 42, 46). Dies hat zur Folge, dass der nichtsäumige Streitgenosse alle Prozesshandlungen - die sich nicht auf die materielle Rechtslage auswirken und deshalb neben der Prozesshandlungsbefugnis auch keine entsprechende materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis voraussetzen - wirksam abgeben kann und diese auch für die Säumigen Wirkung entfalten

Zwar ist es richtig, dass notwendige Streitgenossen nicht zueinander in Widerspruch stehende Prozesserklärungen abgeben können, so dass im Falle eines Klageabweisungsantrages auf das Anerkenntnis eines einzelnen Wohnungseigentümers kein Teilanerkenntnisurteil ergehen kann

Da dem Anerkenntnis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - wie ausgeführt - lediglich eine prozessrechtliche Komponente zukommt, kommt es entgegen der Ansicht der Berufung hier auch nicht darauf an, ob der einzelne Streitgenosse befugt war, materiell-rechtlich Erklärungen zu Lasten der übrigen Streitgenossen abzugeben.

Dass materiell-rechtlich das Anerkenntnis eines Beklagten förderlich ist, da es in der Sache um die Genehmigung einer anwaltlichen Vertretung in einem gegen ihn gerichteten Prozess geht, ist insoweit ebenfalls ohne Belang.

mitgeteilt durch Dr. Dr. Peter Kunth, Frankfurt a.M.
Eine mehr als überraschende Entscheidung des LG Frankfurt, die wieder einmal belegt, dass die ZPO für wohnungseigentumsrechtliche Verfahren denkbar ungeeignet ist und die Verabschiedung der WEG-Reform und insbesondere des § 46 WEG korrekturbedürftig ist.

Das LG Frankfurt begründet seine Entscheidung u.a. damit, das der in die Säumnis flüchtende, anwensende Rechtsanwalt der Beklagten nach dem erklärten Anerkenntnis eines beklagten Eigentümers noch einen klageabweisenden Antrag hätte stellen können. Das LG Frankfurt lässt offen, ob diese Rechtsauffassung auch dann Geltung hat, wenn eine echte Säumnis vorliegt.

Das LG Frankfurt weist darauf hin, dass die Prozesshandlungen eines Streitgenossen grds. auch für die anderen, u.U. säumigen Streitgenossen gelten. Dabei ging der Gesetzgeber jedoch davon aus, dass die Streitgenossen ein gemeinsames Interesse an einem positiven Prozessausgang haben. Dies ist aber in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren nicht der Fall, da § 46 WEG unabhängig von der materiellen Interssenlage alle nicht anfechtenden Eigentümer als notwendige Streigenossen auf der Beklagtenseite ansieht.

Der BGH (V ZR 196/08) hatte zunächst einen "Parteiwechsel" der beklagten Eigentümer im Wege der Nebenintervention angedeutet. Diesem Gedanken war das LG München (1 S 809/11) gefolgt. In einer späteren Entscheidung hatte der BGH (V ZR 7/12) aber seinen Standpunkt sofort wieder aufgegeben und festgestellt, dass die materiellen Interessen einzelner Eigentümer hinter der formalen Prozessstellung zurückstehen müssen. Das LG Nürnberg-Fürth (14 T 3796/13) hält ein Anerkenntnis für die säumigen Eigentümer wohl nicht für zulässig.

Da das LG Frankfurt die Revision zugelassen hat, bleibt abzuwarten, wie der BGH seinen Eiertanz um den § 46 WEG fortsetzen wird.

Alle bisherigen bekannten Entscheidungen sind unbefriedigend. Die Gerichte ziehen sich in ihrer Not auf die rein prozessrechtliche Parteistellung im Anfechtungsverfahren zurück und übersehen dabei, dass die Regelungen der Streitgenossenschaft in der ZPO einen Wechsel zu der einen oder anderen Seite gerade vorsehen, was aber im WEG-Verfahren nicht gelten soll.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des LG Frankfurt konsequent, auch wenn damit die ZPO im WEG-Verfahren ad absurdum geführt wird.

Aber die Gerichte sind nur so gut wie die Gesetze, die ihnen zur Verfügung gestellt werden.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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