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Auftraggeber eines Call-Centers muss sich dessen unzulässigen Telefonanruf zu Werbezwecken zurechnen lassen, wenn der Werbeanruf ohne vorheriger Einwilligung getätigt wurde; § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG
LG Essen, AZ: 42 O 84/12, 27.03.2013
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Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn ein Rechtsanwalt nach einem unerbetenen Werbeanruf eines Call-Centers aus der Ukraine zunächst ein Interesse an dem Werbeangebot bekundet, um so an die Kontaktdaten des dahinter stehenden gewerbetreibenden Auftraggebers in Deutschland zu gelangen.

Denn der Gewerbetreibende muss mit dem zur Verfügung stehenden Register der Abwehr- und Beweissicherungsmaßnahmen rechnen, ohne dass er sich auf einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz berufen kann.

Es ist auch nicht rechtmissbräuchlich, wenn der Rechtsanwalt einen Mitbewerber über diesen Telefonanruf informiert und der Mitbewerber sich daraufhin zu einer gerichtlichen Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs entschließt.

Die Frage der mutmaßlichen Einwilligung ist anhand der Umstände vor dem Anruf sowie anhand der Art und des Inhaltes der Werbung festzustellen; zu fragen ist, ob aufgrund konkreter Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden erwartet werden kann, wobei eine allgemeine Sachbezogenheit nicht genügt. Es muss ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden liegender Grund vorliegen und es muss ein Interesse daran bestehen, gerade telefonisch beworben zu werden.

Das Call-Center in der Ukraine und hiermit auch in gestufter Beauftragung deren Mitarbeiter sind Beauftragte im Sinne § 8 Abs. 2 UWG, Beauftragter ist jeder, der ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines anderen aufgrund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist. Er muss in die betriebliche Organisation dergestalt eingegliedert sein, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugute kommt, andererseits dem Unternehmer ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist.

Besteht zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Call-Center ein Rahmenvertrag, ermöglicht dieser es in dem Sinne auf ihren Vertragspartner einzuwirken, dass in Zusammenhang mit der Erlangung von Daten interessierter Kunden keine wettbewerbswidrige Handlung begangen wird; die Unterlassung, dass für ihre Produkte in rechtswidriger Weise mit einem Kaltanruf versucht wird, eine Einwilligung nach § 7 II UWG zu erlangen, kann sie aufgrund des Vertragsverhältnisses von dem Service-Center einfordern (vgl. zur Zurechnung von Verstößen eines beauftragten Call-Centers z.B. auch: OLG Frankfurt, BB 2011,2434).

Dies ändert jedoch nichts an der Wettbewerbswidrigkeit des Telefonanrufes und der eigenen wettbewerbsrechtlichen Verantwortung.
Das LG Essen bestätigt die einhellige Rechtsauffung der Obergerichte, wonach ein Gewerbetreibender sich seiner wettbewerbsrechtlichen Verantwortung wegen verbotener Werbeanrufe nicht dadurch entziehen kann, dass er ein externes Call-Center mit der unzulässigen telefonischen Kaltquiseaquise zur Anbahnung eines Geschäftskontaktes zwischenschaltet.

Dies gilt insbesondere, wenn sich das beauftragte Call-Center außerhalb des Geltungsbereiches des deutschen Rechts befindet.

Zu beachten ist, dass die telefonische Kaltaquise nicht nur gegenüber Verbrauchern ohne deren vorherige Einwilligung immer unlauter ist, sondern auch gegenüber Gewerbetreibenden. Eine mutmaßliche Einwillgung wird nur dann angenommen werden können, wenn diese v o r dem Telefonanruf vermutet werden durfte. Dabei begründet selbst ein späterer Vertragsabschluss des Angerufenen nicht eine mutmaßlichen Einwilligung, so dass ein Mitbewerber auch bei Zustandekommen eines Vertrages seine Unterlassungsansprüche nicht verliert.

Eine mutmaßliche Einwilligung kommt insbesondere bei Hilfsgeschäften (z.B Bürobedarf für Anwaltskanzlei; Autoverkauf an Spedition) des Angerufenen nicht in Betracht, sondern nur dann, wenn die angebotene Leistung oder Ware zur Weiterveräußerung geeignet ist und eine Eilbedürftigkeit eine andere Kontaktaufnahme nicht gestattet.

Die vorgenannten Ausführungen gelten sinngemäß für unerbetene Werbe-Mails oder Werbe-Faxe.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von Rechtsanwalt Frank Dohrmann, Bottrop
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